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Heute bezugnehmend auf das April-Kalenderblatt des Gemeinschaftsprojektes mit Isabell, Fotografie mit Sinnen
Wenn ich mich recht erinnere, war es noch vor Corona, dass mein Auge an einer Überschrift mit der Prophezeiung einer bevorstehenden Rückkehr zu Biedermeier ähnlichen Verhältnissen hängen blieb. Im weiteren Verlauf des Artikels ging es um die Renaissance der Häuslichkeit, den Rückzug in die eigenen vier Wände und die Idee an der zelebrierten Gemütlichkeit wieder zunehmend Gefallen zu finden.
Wie kam es nun zu derlei Mutmaßungen? Nun sehr gut konnte man aufgrund diverser wieder in Mode gekommener Freizeitbeschäftigungen darauf schließen. Selbst zu kochen und zu backen- anstatt essen zu gehen, Pflanzen auf der Fensterbank aus Samen zu ziehen, einkaufen am Markt im eigenen Grätzl statt mit dem Auto ein großes weiter entferntes Shoppingcenter aufzusuchen, Zusammentreffen in einer kleinen Runde mit Freunden gemütlich daheim im Wohnzimmer, Eier von den eigenen Hühnern im Garten und am Wochenende nach dem Spaziergang durch den Wald die Picknickdecke auf der Wiese auszubreiten und dem Vogelgezwitscher zu lauschen, während einem die Sonne an der Nase kitzelt.
Nach einer kurzen Recherche habe ich festgestellt, dass für diesen Trend bereits vor ca. 4 Jahren der Begriff des Neo-Biedermeier geprägt wurde. In Verbindung mit der uns auferlegten Ausgangssperre während der letzten Woche scheint sich jener Trend weiter verstärkt zu haben. Wenn du nicht selbst bereits Marmelade eingekocht, Brot oder Kuchen aus Sauerteig gebacken und Mungosprossen gezogen hast, dann kennst du bestimmt zumindest 2 Personen im Freundeskreis die dies getan haben richtig? Ich habe mich auf jeden Fall heute morgen darüber gefreut, bereits die ersten Keimlinge meiner erst am Wochenende in Erde gesteckten Käferbohnen zu sichten. Also bin ich wohl dabei. Meine per Post versendeten Ostergeschenke habe ich wenn schon nicht selbst gemacht, so doch immerhin bei Wiener Unternehmen bestellt.
Normalerweise bewege ich mich beruflich täglich kreuz und quer durch ganz Wien. Auf zwei Termine am Morgen im Umkreis Mariahilferstraße folgt ein weiterer in Ottarkring, nach einem Zwischenstopp zuhause in Döbling geht es noch in die Nähe von Schönbrunn um den Tag mit der letzten Kundin an der Wienzeile abzuschließen. Die Öffis bringen mich zuverlässig von A nach B und Mittags geht sich noch ein Essen mit einer Kollegin am Karmelitermarkt aus. Ich habe das gerne gehabt. Es war teilweise auch anstrengend, und ermüdend soviel auf den Beinen zu sein, aber wie gesagt großteils sah ich dies immer als Bereicherung täglich die vielen verschiedenen Gesichter dieser mir geliebten Stadt zu sehen.
Nach 5 Wochen Corona-Krise ziehe ich jedoch meine Kreise enger. Manchmal geht sich nicht einmal ein Kreis aus, die Entfernung zwischen Couch und Kühlschrank beispielsweise, lässt sich mit 5 Schritten zurücklegen mit einem großen Bogen rund um den Mistkübel werden im besten Fall 6 daraus. Meine Spaziergänge lassen sich aufgrund der Größe Döblings selbst mehrstündig ohne nötiger Überschreitung von Bezirksgrenzen bewerkstelligen, wobei Währing ja auch wirklich hübsch ist. Und nun das Erstaunliche: es stört mich nicht. Dieses Neo-Biedermeier hat tatsächlich so etwas Gemütliches, Beschauliches und damit vielleicht auch gerade passend: etwas Sicheres und Tröstliches. Ein überschaubarer Rahmen aus Küche, Wohnzimmer, Bad und Kabinett, bei Sonnenschein mit Terrasse, auf Wunsch erweitert um den Kreis mit Gang zum nächst gelegenen Supermarkt, Altstoffsammelcontainer und Apotheke, fertig.
Wenn man schon kaum bis wenig Einfluss auf die derzeitige Krise hat, oder wir dies zumindest vielfach so wahrnehmen, so tut es einfach gut, zuhause Herr der Lage zu sein. Das treibt mitunter so seltsame Auswüchse wie jener, der mich nach Ewigkeiten am Montag dazu veranlasst hat meine Fenster zu putzen. Zur Erklärung: ich hasse Fenster putzen!
Zieht man seine Kreise jedoch eventuell minimal weiter, so lernt man vielleicht plötzlich seine Nachbarn kennen. Weißt du wer in der Wohnung über dir wohnt, wer darunter und wer nebenan ? Weißt du ob es allen gut geht, ob jemand krank ist, vielleicht Hilfe braucht?
Nicht ganz elegant aber doch habe ich es gerade noch geschafft die Kurve zu bekommen. Bei der Häuslichkeit wollte ich nämlich ursprünglich auf die Plattform: fragnebenan verweisen. Diese ist österreichweit aktiv und zielt auf die Vernetzung von Menschen zum Zwecke neu gelebter Nachbarschafthilfe ab. Sowohl in Bezug auf das eigene Wohnhaus, als auch im näheren Umkreis bzw. Bezirk. Hier erfährt man von geplanten baulichen Maßnahmen, erhält persönliche Empfehlungen auf der Suche nach einem Facharzt, bietet Nachhilfe oder Babysitten an oder lädt zu selbst veranstalteten Events ein. Ich habe auf diesem Wege übrigens letzte Woche einen kleinen Zimmerpflanzenableger geschenkt bekommen und über die Jahre auch einige neue treue Kunden meiner Outdoortrainings im Park. Internationale Freunde auf der ganzen Welt verstreut zu wissen ist toll aber manchmal wohnt nur 3 Gassen weiter ein ganz besonderer Mensch, der es Wert ist kennengelernt zu werden um dein Leben zu bereichern. Also halte die Augen offen, bleib trotz Abstand neugierig und frag mal nebenan.
In diesem Sinne habt einen schönen Abend, ich muss jetzt meine Pflänzchen gießen, und den Mundnasenschutz fertig häkeln,
eure Verena